Samstag, März 22, 2008

Schlechte Karten für die Kemalisten: Ende der türkischen Republik?


Der türkische Regierungschef Recep Tayyip Erdogan ist seinem Ziel, die Türkei nach und nach aus ihrer laizistischen Tradition herauszulösen und die Islamisierung des Landes zu forcieren, einen weiteren Schritt nähergekommen. Die kemalistische Republik scheint unaufhaltsam einem Auflösungsprozess, wenn nicht gar einer Teilung entgegenzusteuern.

Das Fundament der Republik Atatürks (Abbildung) ruhte auf drei Pfeilern: Dem Staatspräsidenten, dem Verfassungsgericht und dem Militär. Der Staatspräsident ist in der Person Güls zum Inventar der regierenden islamischen AKP*-Partei geworden. Somit ist die erste Bastion gefallen. In den nächsten Monaten wird mit den Stimmen der AKP-Mehrheit das Verfassungsgerichtsorgan von bisher 11 auf 17 Richter aufgestockt. Was bedeutet das? Die zweite Bastion - und mit ihr die entscheidende - wird mit sehr großer Wahrscheinlichkeit auch fallen und alle verfassungsrechtlich relevanten Steuerungsprozesse im Sinne der AKP einleiten. Zur Rolle des Militärs weiter unten….

Der zurzeit eingebrachte Verbotsantrag gegen die AKP wird von den dann mehrheitlich AKP-treuen Verfassungsrichtern wohl wieder kassiert. Anders ist es kaum vorstellbar - oder hat schon jemand einen Eisbär in der Sahara entdeckt? Vural Savas, der ehemalige Generalstaatsanwalt, sieht deshalb ein Ende der Republik nach dem Sommer 2008 heraufdämmern. Seine pessimistischen Prognosen erläutert er im Gespräch mit der WELT:


"Für ein Verbot der AKP ist es zu spät"
WELT, 22. März 2008

Der ehemalige türkische Generalstaatsanwalt Vural Savas hält den Kampf der Kemalisten für aussichtslos – weil es zu spät ist. Für ihn will die AKP die Herrschaft des Islam in der Türkei durchsetzen. Nach seiner Meinung ist die Republik im bisherigen Sinne nach dem Sommer 2008 zu Ende.

Wird die Partei von Regierungschef von Recep Tayyip Erdogan bald verboten?

Gegen die türkische Regierungspartei AKP liegt ein Verbotsantrag vor. WELT ONLINE sprach mit dem früheren Obersten Staatsanwalt Vural Savas, der zwei Vorgängerparteien der AKP schließen ließ. Seiner Meinung nach sind die Beweise gegen die AKP stichhaltig, für einen Erfolg des Antrages sei es aber zu spät. Mit ihm sprach Boris Kalnoky.

WELT ONLINE: Gegen die AKP liegt ein Verbotsantrag vor. Hat das eine Aussicht auf Erfolg?

Vural Savas: Nein. Bis zu einem Urteil werden Monate vergehen, und die AKP wird in dieser Zeit das Verfassungsgericht reformieren, um es zu dominieren. Statt heute elf soll es dann 17 Richter geben, die sechs neuen Richter werden das Kräfteverhältnis zugunsten der AKP wenden.

WELT ONLINE: Die AKP wirft dem Obersten Staatsanwalt Yalcinkaya vor, schlampig gearbeitet zu haben, schon aus formalen Gründen sei der Antrag abzulehnen.

Savas: Ach, das hat damals auch (Fundamentalistenführer) Erbakan gesagt, als ich seine Wohlfahrtspartei schließen wollte. Die AKP will die Herrschaft des Islam in der Türkei durchsetzen. Um im Staatsapparat unterzukommen, müssen Kandidaten heute schon nach Möglichkeit aus einer (religiösen, d. Red.) Imam-Hatip-Schule kommen, ihre Frauen sollten Kopftuch tragen. Die Partei duldet immer mehr illegale oder halblegale Korankurse für Vorschulkinder, wo die Kinder im Grunde einer Gehirnwäsche unterzogen werden. So soll eine neue, fromme Generation herangezogen werden, die die Türkei in ein Zeitalter der Finsternis führen wird.

WELT ONLINE: Sie haben gerade ein Buch veröffentlicht: „Die AKP hätte längst geschlossen werden müssen“. Wie verkauft es sich?

Savas: Wir sind bei der fünften Auflage, 20 Tage nach der Erstauflage.

WELT ONLINE: Was passiert, wenn die AKP nicht gebremst wird?

Savas: Die Republik Atatürks ruhte auf drei Pfeilern: der Staatspräsident, das Verfassungsgericht und das Militär. Der Präsident ist heute von der AKP, das Verfassungsgericht wird durch die geplanten Reformen bald unter AKP-Kontrolle gebracht, und im Sommer wird mit der jährlichen Runde von Personalentscheidungen bei der Armee wahrscheinlich auch das Militär unterwandert werden. Danach ist die Republik im bisherigen Sinne zu Ende. Das kann sogar zu einer Teilung der Türkei führen. Der Westen unterstützt diese Entwicklung, man will einen „gemäßigten Islam“ vorzeigen können, der vor den imperialistischen Strategien des Westens kuscht und die Massen einlullt. Aber in einigen Jahren wird es den Amerikanern und Europäern leidtun, dass sie die Zerstörung der Republik zuließen. Dann werden sie die Armee vielleicht fragen, ob sie nicht putschen könnte.

WELT ONLINE: Wird die Armee eingreifen, bevor es für die Militärs zu spät ist, also noch dieses Jahr?

Savas: Ich glaube nicht. Ich war sowieso immer gegen einen Putsch und bin es auch heute. Die „wahren Intellektuellen“ unseres Landes waren immer diejenigen, die am meisten unter den Militäreingriffen litten. Das Militär hat nicht genug Rückhalt für einen Eingriff.

WELT ONLINE: Ist eine Militärintervention später denkbar?

Savas: Ich glaube nicht. Vor fünf Jahren schrieb ich ein Buch: „Als die Republik zusammenbrach“. Es sieht so aus, als hätte ich die Entwicklung richtig erkannt. Es tut mir selbst weh – meine Kinder werden in einem islamisch regierten Land aufwachsen, ich will das nicht.

WELT ONLINE: Das Volk will aber die AKP. Sie wurde demokratisch gewählt. Ist der Verbotsantrag nicht undemokratisch?

Savas: Als im Osmanischen Reich die Sklaverei abgeschafft werden sollte, gab es einen Volksaufstand. Die Leute sagten, der Koran lässt Sklaverei zu, also darf man sie nicht abschaffen.

WELT ONLINE: Übertreiben Sie nicht ein wenig? Kann man der AKP denn nachweisen, dass sie die Scharia will?

Savas: Ich habe die Refah-Partei schließen lassen, weil sie die Scharia anstrebte. Dann ihre Nachfolgepartei Fazilet, aus demselben Grund. Erdogan war ein bedeutender Name in diesen Kreisen. Er hat 25 Jahre lang versucht, zu beweisen, dass der Laizismus nicht mit dem Islam vereinbar ist. Er war ein Wortführer gegen die EU. Weil er immer wieder scheiterte, verfolgt er mit der AKP nun eine neue Strategie, setzt auf die Unterstützung des Westens und geht Kompromisse ein. Er sagte einmal, er würde sich notfalls als Papst verkleiden, um das System zu zerstören.

WELT ONLINE: Seine demokratischen, prowestlichen Reformen sind unbestreitbar.

Savas: Seine Wähler wählen ihn nicht, weil sie ihn für prowestlich halten. Sie wissen genau, wer er ist. Als Demokrat würde er nicht mehr als fünf Prozent der Stimmen bekommen. Und selbst wenn er gemäßigter wäre, als ich glaube – seine Wähler sind es nicht, und auf sie ist er angewiesen.

*Der Inhalt der verlinkten Seite deckt sich nicht in jeder Hinsicht mit dem Standpunkt von Castollux.

Freitag, März 21, 2008

Diplomatie allein wird die iranische Bombe nicht stoppen

Michael Wolffsohn mit einem Positionspapier im Tagesspiegel zur militärischen Option gegen den Iran

Seine optimistische These, dass Angela Merkels uneingeschränktes Bekenntnis zur Sicherheit Israels eine Absicherung des Staates durch die Nato impliziere, ist aber so leicht wohl nicht aufrechtzuerhalten.


Gesagt, getan

Von Michael Wolffsohn
20.3.2008

Um die iranische Atombombe zu verhindern, muss Diplomatie um glaubhafte militärische Abschreckung ergänzt werden. Angela Merkel und der Iran: Das Wort der Kanzlerin gilt.

Angela Merkel hat vor der Knesset Ungewöhnliches gesagt. Durch ihr uneingeschränktes Bekenntnis zur Sicherheit Israels hat sie das Land in den Status eines Nato-Mitglieds erhoben.

Ihre Botschaft: Wer Israel angreift, greift Deutschland an. Konkret ist damit die atomare Bedrohung durch Teheran gemeint. Um die iranische Atombombe zu verhindern, muss Diplomatie jedoch um glaubhafte militärische Abschreckung ergänzt werden. Das sind die Gründe.

– Der Irak stand im Juni 1981 an der Schwelle zur Atommacht. Israelische Flugzeuge zerstörten die Atomanlagen. Ein Zivilist wurde dabei getötet. 1991 wurde Israel von irakischen Raketen getroffen. Atomar bestückt waren sie nicht, denn dazu war Saddams Irak nicht mehr in der Lage.

– Syriens Versuch atomarer Aufrüstung mit nordkoreanischer Hilfe hat Israel am 9. September 2007 vereitelt. Wenige Flugzeuge reichten, kein Mensch wurde getötet. Syriens Präsident verstand und streckte Friedensfühler aus: glaubhafte Abschreckung.

– Ähnlich wirkte das Instrument gegenüber dem atomar aufrüstenden Libyen. Die USA zeigten Entschlossenheit. Libyen rüstet jetzt atomar ab.

– Glaubhafte militärische Abschreckung plus Diplomatie plus Lebensmittelhilfe plus Energie für Nordkorea. Das war die US-Politik. Sie scheint zur atomaren Abrüstung Nordkoreas zu führen.

Viermal glaubhafte militärische Abschreckung, viermal atomare Abrüstung. Alles spricht also für dieses Erfolgsrezept. Braucht der Iran Atomwaffen? Am Anfang war der Kampf ums Dasein. Saddam Hussein hatte im September 1980 den Iran brutal überfallen. Der Westen schaute zu und half dem Irak. Das Überleben Irans stand von 1980 bis 1988 auf des Messers Schneide. In dieser Situation entschied Teheran: Atombomben!

Wie das in seiner Existenz ebenfalls bedrohte Israel, setzte der Iran für den Notfall auf Atom. Wie bei Israel galt das Motto: Wenn wir untergehen, gehen die Angreifer mit uns.

Israels strategische Situation hat sich nicht geändert, wohl aber die iranische. Heute will kein Staat der Region den Iran auslöschen. Deshalb braucht der Iran die Atombombe nicht.

Manche meinen: Einen Regimewechsel wollten die USA, um über Marionetten mit der Bevölkerung Irans zu kooperieren. Das ist falsch, denn ein militärisch herbeigeführter Regimewechsel erobert zwar das Land, aber nicht die Herzen und Köpfe der Menschen. Das beweist der Irak seit 2003.

Ist der Iran gefährdet? Ja. Wo und von wem? Von den unzufriedenen, modernen Mittelschichten und seinen großen Minderheiten. Der Iran ist ein Vielvölkerstaat, und er ist islamisch geteilt. Hier Schiiten, dort Sunniten. Gegen diese innenpolitischen Bedrohungen hilft Teheran nur Politik, keine Bombe und kein Satellit, der militärisch nutzbar ist. Fazit: Teheran braucht keine Atomwaffen, und die friedliche Nutzung der Kernenergie ist eher ein Thema deutscher Innenpolitik.

Hat der Iran Atomwaffen? Noch nicht. Er kann sie bald haben. Die US-Geheimdienste sagen, der Iran habe die militärische Entwicklung seines Atomprogramms im Herbst 2003 unterbrochen. Unterbrochen, nicht beendet.

Die Internationale Atomenergiebehörde hat jüngst aus Wien erklärt, der Verdacht bestehe weiter, dass der Iran nuklear rüste. Noch eindeutiger bestehen die israelischen Dienste darauf. Hysterie, sagen manche. Juden und Israelis erinnern an Hitlers „Mein Kampf“. Vor 1933 hatten „aufgeklärte“ Deutsche beruhigt: Alles werde nicht so heiß gegessen wie gekocht. Danach kam der Holocaust. Die Reichweite iranischer Raketen beträgt heute rund 2000 Kilometer. Gegen Israel reicht Kürzeres. Wen will der Iran angreifen: Europa oder Amerika?

Eine Mixtur aus Diplomatie und glaubhafter Abschreckung gegen den Iran wäre nötig. Die Diplomaten sprechen längst. Was passiert noch? Die EU plant die Erdgaspipeline Nabucco von Zentralasien und dem Iran nach Europa. Weniger Abhängigkeit von Russland ist das Ziel, mehr Abhängigkeit vom Iran das Ergebnis.

Es gibt Indizien, dass die USA und Israel aufständische Guerillas in Kurdistan und Belutschistan unterstützen. Das Signal an Teheran ist klar: Wenn ihr nicht atomar abrüstet, rüsten wir die Guerillas gegen euch auf und starten eventuelle Kommandoaktionen. Nicht wir explodieren, ihr implodiert.

Wenn Teheran diese Doppelstrategie aus Diplomatie und Implosion nicht versteht, muss die glaubhafte Abschreckung gesteigert werden, ohne dass die Drohung gleich umgesetzt wird.

Luftangriffe gegen militärische Ziele im Iran müssen eine glaubwürdige Option sein. Die Luftangriffe zerstören die Anlagen nicht, lähmen sie aber befristet. Das bringt Zeit und Chancen für neue Abrüstungsdiplomatie.

Was passiert, wenn die Iraner beschließen, Israel mit Raketen zu beschießen, möglicherweise biologisch oder chemisch bestückten? Was passiert, wenn der Iran Syrien reaktiviert sowie die Hisbollah im Libanon und die Gaza-Hamas und Terroristen weltweit? Diese Eskalation wäre Selbstmord für den Iran und seine Partner.

Wenn der Iran Atombomben hat, wäre auch dies möglich: ein atomarer Erstschlag gegen Israel. Doch Israel hat Zweitschlagsfähigkeiten mit fünf U-Booten made in Germany. CDU/CSU, FDP und SPD trugen diese Politik seit 1991, die Grünen torpedierten neue Lieferungen auch in der Regierungsverantwortung, nur Joschka Fischer war dafür.

Weiter gilt das Primat der Politik. Das hat auch die Kanzlerin betont. Und sie hat ebenfalls die Frage beantwortet, ob das Atomprogramm des Iran mit allen Mitteln gestoppt werden muss. Ja, mit allen Mitteln.

Der Autor lehrt Neuere Geschichte an der Bundeswehr-Universität München.

(Erschienen im gedruckten Tagesspiegel vom 20.03.2008)

Donnerstag, März 20, 2008

Unausgesprochene Wahrheiten

Wenn von unausgesprochenen "Wahrheiten" die Rede ist, dann meldet sich dieser Tage besonders vernehmlich Fritz Kuhn zu Wort, Fraktionschef der Grünen im Deutschen Bundestag.

Ebenso wie der potentielle
Bruder im Geiste und wohl in nicht allzu ferner Zukunft offen mit ihm paktierende Norbert Paech ist er ganz besonders schnell auf Zack, wenn es darum geht, dem „Apartheidstaat“ Israel gehörig die Leviten zu lesen. Was Wunder, geht es den beiden Meistern einer geheuchelten politischen und sowieso unangebrachten Äquidistanz zwischen dem pal-arabischen Terrorgesindel und Israel doch in erster Linie darum, die Menschen in Deutschland und Europa davon zu „überzeugen“, dass das Terrorregime der Hamas als frei gewählte Mördertruppe und der Holocaustleugner Abu Mazen doch bitteschön als "aufrichtige" und zuverlässige Verhandlungspartner akzeptiert werden sollten.

Dazu passt wie die berühmte Faust aufs Auge, dass (nicht nur) diese beide Protagonisten dem gefährlichen Irren in Teheran, und noch viel mehr den hinter ihm agierenden Strippenziehern aus der Mullahkratie in den Allerwertesten kriechen und so den trügerischen Eindruck erwecken, dass alle Vernichtungsdrohungen gegenüber Israel nur harmloses Wischiwaschi seien.

Eine schärfere Politik - sieht man von den halbwegs markigen Forderungen ab, die Europa gegenüber dem Klerikalregime in Teheran endlich umsetzen will, und vergleicht sie mit dem wirtschaftlichen Traffic, der insbesondere zwischen Deutschland und dem Iran abgeht - wird sehr schnell an Wirkung verlieren, wenn offenbar wird, dass Androhung von Sanktionen und deren (beabsichtigte) effektive Durchsetzung nicht auf demselben Mist wachsen, weil die EU nicht einheitlich spricht.

Kanzlerin Merkel hat in Israel prinzipiell überzeugt - nicht nur, weil sie schon immer klar Position für Israel und gegen das iranische Regime und dessen Proxyserver bezogen hatte.

Ungeachtet dessen bleibt eine Frage offen - und auch die hat etwas mit unausgesprochenen Wahrheiten zu tun: Warum wurde das Thema „Deutsche Wirtschaftsbeziehungen zum Iran“ nicht deutlich angesprochen? Und warum versäumte das israelische Führungstrio Olmert-Livni-Barak, hier einzuhaken, nachzubohren und die immer wieder beschworene deutsche (europäische) Freundschaft zu Israel einer ehrlichen Bestandsaufnahme zu unterziehen?

In der großen Politik wird viel über informelle Kanäle geregelt. Man müsste schon ziemlich naiv sein, diese Möglichkeiten zu unterschätzen. Richtig - man muss diese Varianten immer einkalkulieren. Dennoch stellt sich die Frage, ob offiziell angesichts der bisherigen Politik Europas gegenüber dem Iran und seinen Helfershelfern einerseits und gegenüber Israel andererseits von einer wahrhaftigen und essentiellen Begegnung gesprochen werden konnte.

Caroline Glick hat am 17. März in der Jerusalem Post anlässlich des Besuchs von Angela Merkel in Israel dazu kritische Überlegungen angestellt. HEPLEV hat sich die Mühe gemacht, den ausführlichen und sehr wertvollen Beitrag, der in der Rückschau seine Brisanz noch mehr entfaltet, zu übersetzen.


Deutschlands pro-israelisches Machtspiel

Caroline Glick, Jerusalem Post, 17. März 2008

Die Rede der deutschen Kanzlerin Angela Merkel vor der Knesset heute Nachmittag wird der Höhepunkt dessen sein, was die israelischen Medien als „historischen“ dreitägigen Staatsbesuch in Israel bezeichnet haben. Am Tag vor Beginn von Merkels „historischem“ Besuch berichtete Der Spiegel über den „historischen“ Besuch eines anderen Deutschen in Afghanistan.

Dieser Besuch endete am 3. März, als der als Cüneyt C. aus Bayern und auch als Saad Ebu Furkan bekannte fragliche Besucher sich vor einem US-Wachtposten in Khost sprengte; das liegt eine Stunde Fahrt von der Grenze zu Pakistan, wo der Deutschtürke seine Terrorausbildung erhielt. Zwei US-Soldaten wurden getötet und Dutzende verwundet, nachdem sie unter dem Schutt gefangen waren; das macht C. zu Deutschlands ersten erfolgreichen Selbstmord-Bomber.

Er war zwar der erste Deutsche, der US-Soldaten tötete, aber C’s Kollege Sadullah K., ein junger Deutscher aus Hessen, starb bei einem solchen Versuch. K. wurde im Oktober bei einem US-Luftangriff an der pakistanisch-afghanischen Grenze getötet, nachdem auch er in Pakistan für den Terror ausgebildet wurde. Beide Männer gehörten zur Islamischen Jihad Union aus Deutschland. Die IJU machte im September Schlagzeilen, als deutsche Ermittler die Führer einer IJU-Zelle aushoben, die massive Anschläge auf amerikanische Ziele in Deutschland plante. Diese Führer – ebenfalls Deutsche – standen mit C. wie mit K. in Kontakt, die der Rasterfahndung der Polizei entkamen und es durch die Türkei und den Iran bis nach Pakistan schafften.

Und natürlich wurde Deutschlands Ruf als Heimat der al-Qaida-artigen Jihadisten durch die saudischen und ägyptischen Staatsbürger aufpoliert, die vor einigen Jahren in Hamburg studierten. Angeführt von Mohammed Atta, erfreuten sie sich deutscher Gastfreundschaft, während sie Anschläge planten, die sie in New York und Washington am 11. September 2001 ausführten.

Merkel, die sich und ihr Land als Israels größten Freund und Helfer in Europa darstellt, wird ohne Zweifel diese Story in ihrer Rede vor der Knesset ignorieren. Sie wird zweifellos ebenfalls nicht erwähnen, dass ihr Land der größte Importeur des Iran ist. Sie könnte vielleicht erwähnen, dass Deutschland letztes Jahr die Hälfte seiner Lohngarantien für deutsche Firmen strich, die mit dem Iran Geschäfte machen. Aber sie wird nicht erwähnen, dass dieser Zug fast keinen Einfluss auf das Handelsvolumen gehabt hat. In einem neuen Bericht über deutsche Firmen im Iran interviewte Reuters den britischen Geschäftsmann Robert Mills, der die DHL-Niederlassung in Teheran leitet. Der Express-Lieferdienst DHL ist Teil der Post- und Logistik-Gruppe Deutsche Post.

Mills schwärmte über das boomende Geschäft, das seine Firma im Iran macht, trotz der internationalen Sanktionen. Mills sagte, die von DHL beförderte Tonnage stieg in den letzten zwei Jahren um 50 Prozent und die Firma hat ihren Umsatz im Iran seit 2005 durch steigende Importe von allem, von Telekommunikations-Ausrüstung zu Autoersatzteilen, gesteigert.

Wie Mills berichten andere Geschäftsleute, die deutsche Firmen repräsentieren, boomende Geschäfte und steigende Möglichkeiten trotz der UNO-Sanktionen. Manager berichteten, dass ihre Gewinne sich in den letzten zwei Jahren verdoppelt und verdreifacht haben. Irans Vertrauen in seine deutschen Geschäftspartner ist offensichtlich unbegrenzt. Warum sonst sollte man dort darüber nachdenken, 90 Milliarden Dollar an Anteilen seiner Energiefirma an die Frankfurter Börse zu bringen? Wie MEED, der Nachrichtenbericht für den Mittleren Osten am Sonntag berichtete, arbeiten über 1.700 deutsche Firmen im Iran; damit wird die Tatsache, dass Deutschland kürzlich die Bankverbindungen mit den iranischen Banken abbrach, nicht als Hindernis betrachtet, die Firma an der Frankfurter Börse zu führen. Eine Sprecherin für die Deutsche Börse, die Firma, die die Börse in Frankfurt führt, sagte der Zeitschrift, dass man keine Einwände dagegen habe, die iranische Firma dort zu listen.

Deutschlands Handeln gegenüber dem Iran kann nicht mit Merkels Reden über die Unterstützung Israels und der Verpflichtung zu seiner Sicherheit in Einklang gebracht werden. Deutschlands Handeln und sein pro-israelisches Reden können nur verstanden werden, wenn man sie durch die Linse der Machtpolitik betrachtet – die die Linse ist, die die politisch Entscheidenden in Sachen Entscheidungen zu Israel, dem Iran, dem Nahen/Mittleren Osten und sogar der Welt als Ganzem informiert.

Machtpolitik hat zwei Hauptkomponenten: der Drohung mit Krieg und Gewalt und wirtschaftlicher Einfluss. Aus der Sicht der Europäer handhaben die arabische Welt und der Iran beide Waffen der Machtpolitik gegen sie. Durch die widerspenstige, zunehmend radikalisierte muslimische Minderheitsbevölkerung in Europa – wie C. und K. und ihre IJU-Kollegen in Deutschland und Pakistan – hält die islamische Welt die Drohung mit Terror über die Köpfe der europäischen Führer. Und durch Öl halten sie Europa die ultimative wirtschaftliche Waffe an den Kopf.

Weder die EU noch ein einzelner europäischer Staat hat es geschafft, eine schlüssige oder rationale Innenpolitik auszuarbeiten, um mit der Bedrohung fertig zu werden, die von Europas muslimischen Minderheiten ausgeht. Und so ist das Problem in den Bereich der Außenpolitik abgelenkt worden. Zusammen mit dem Drohmittel Öl sind die Europäer hier mit dem arabischen und islamischen Druck klar gekommen, indem sie sich dafür entschieden, ihn zu beschwichtigen. Das tun sie, indem sie Israel angreifen, die Palästinenser unterstützen und die Entwaffnung oder politische Niederlage der Hisbollah im Libanon verhindern.

Die Europäer handeln, wie sie es tun - aus einer Kombination von Gründen. Erstens haben sie keine wirklichen militärischen Fähigkeiten, weder zur eigenen Verteidigung, noch um die arabischen und muslimischen Staaten anzugreifen, die die muslimischen Minderheiten in Europa zur Rebellion anstacheln. Zweitens haben sie nicht den Wunsch, ihre kollektive wirtschaftliche Macht zu nutzen. Wenn sie daran interessiert wären, würden sie natürlich die iranische Wirtschaft innerhalb von Wochen paralysieren, indem sie einfach ihren Handel mit Teheran einstellten. Und drittens verlassen sie sich als ultimative militärische Trittbrettfahrer darauf, dass die USA oder Israel, die beide durch das Atomprogramm des Iran direkter bedroht sind als sie selbst, die iranischen Atomanlagen für sie ausschalten werden.

Die Appeasementpolitik der EU wurde durch ihr Handeln als Kommandeure der UNIFIL-Streitmacht im Libanon seit dem Zweiten Libanon-Krieg deutlich. Israel hatte gehofft, dass die europäischen Streitkräfte, die die Mehrheit der 15.000 UNIFIL-Soldaten im Südlibanon ausmachen, verhindern würden, dass die Hisbollah sich nach dem Krieg wieder bewaffnete, und vielleicht hilft die prowestliche Regierung Siniora gegen die Versuche Syriens und des Iran, der die Hisbollah stärkt, sie zu stürzen. Doch das Gegenteil ist geschehen. Seit dem Krieg und unter den blinden Augen der Europäer hat die Hisbollah ihre Kräfte wieder aufgebaut. Drei Jahre nach den Demonstrationen des 14. März, die zum Rückzug der syrischen Truppen aus dem Libanon angespornt haben, ist die Regierung Siniora gelähmt und die Bewegung 14. März demoralisiert und in Auflösung begriffen.

Die Deutschen lieferten der Öffentlichkeit am 29. Februar eines der absurdesten Schauspiele europäischer Heuchelei und Verlogenheit. An diesem Tag übergab Deutschland das Kommando über das Marine-Kontingent der UNIFIL an Italien. Nach der Stationierung von vier Schiffen und 2.400 Mann vor der libanesischen Küste im Jahr 2006, mit dem ausdrücklichen Zweck, die Wiederbewaffnung der Hisbollah zu verhindern, widmete Deutschland den Großteil seiner Anstrengungen, sich über israelische Überflüge im libanesischen Luftraum zu beschweren und die IAF durch den Start deutscher Hubschrauber in den israelischen Luftraum ohne vorherige Koordination zu provozieren.

Und doch verkündete der deutsche Verteidigungsminister Franz-Josef Jung bei der Kommando-Übergabe im letzten Monat: „Wir können garantieren, dass keine Waffen über das Meer geschmuggelt wurden.“ Die Hisbollah ihrerseits ist von Deutschlands Seemacht deutlich unbeeindruckt gewesen. Sie hat keine Beschwerden gegen die deutsche Marine eingereicht, was sie sicherlich getan hätte, hätte irgendeines der 13.000 Schiffe, die die Deutschen kontrolliert zu haben behaupten, tatsächlich Waffen transportiert. Bezeichnenderweise war die Hisbollah, während sie der deutschen Marine gegenüber überaus freundlich war, vor Wut einem Schlaganfall nahe, als in derselben Woche, in der die Deutschen das Kommando an die Italiener übergaben, die USS Cole vor der libanesischen Küste vor Anker ging.

Während Merkel die wirtschaftliche Unterstützung für den Iran, seine militärische Schwäche und die Entscheidung, die Beschwichtigung der Araber auf Kosten Israels zu begrüßen, als nationale und kontinentale Strategie in ihrer Rede vor der Knesset ignorieren wird, wird sie poetisch von der Unterstützung ihres Staates für den so genannten „Friedensprozess“ und für die palästinensische Eigenstaatlichkeit schwärmen.

Merkel weiß natürlich ganz genau, dass Israels mutmaßlicher palästinensischer „Friedenspartner“, die Fatah-Bewegung, eine Terrorgruppe ist. Sie weiß ebenfalls, dass der mutmaßliche Friedensgesprächspartner der Regierung Olmert-Livni-Barak, der PA-Vorsitzende und Fatah-Führer Mahmud Abbas, weder in der Lage noch interessiert daran ist einen palästinensischen Staat zu gründen, der in Frieden mit Israel lebt. Sie weiß auch, dass, wenn der so genannte Friedensprozess einen palästinensischen Staat in Judäa, Samaria und Jerusalem zustande bringt, dieser Staat schlicht ein Terrorstaat sein wird, der an der Seite des Terrorstaates steht, der 2005 im Gazastreifen geschaffen wurde.

Und doch zieht es die Regierung Olmert-Livni-Barak vor, statt Merkel und ihre europäischen Kollegen mit diesen bekannten Fakten zu konfrontieren, die Farce mitzuspielen. Aus ihrer Sicht ist das alles belanglos. Die Europapolitik der israelischen Regierung besteht in der Beschwichtigung der Europäer, indem man ihnen hilft, die Araber zu beschwichtigen. Würde die Regierung Olmert-Livni-Barak einen Moment innehalten, um darüber nachzudenken, was sie tut, würde sie erkennen, dass sie völlig am Problem vorbei geht. Sei haben die Machtpolitik ignoriert, die den Entscheidern Europas die Informationen für ihren politischen Zügen liefert. Würde sie sie erkennen, würde sie ihre Appeasementpolitik als die Katastrophe erkennen, zu der sie geworden ist.

Würde Israel das Spiel der Machtpolitik spielen, würde es begreifen, dass es drei Dinge tun muss: Erstens muss es seinen eigenen, beträchtlichen wirtschaftlichen Einfluss nutzen, um einzelne europäische Firmen zu zwingen sich zu entscheiden, ob sie bereit sind, auf israelische Technologie zu Gunsten iranischer Exportmärkte zu verzichten, die nur ein Prozent des europäischen Außenhandels ausmachen. Zweitens würde es sicherstellen, dass die Europäer begreifen, dass Israel seine beträchtliche Militärmacht dazu nutzen wird, seine Feinde zu besiegen. Und schließlich würde es sein politisches Gewicht nutzen, um Europas humanitäres und Friedensgerede als heuchlerische Schwindelei entlarven. Damit würde Israel daran arbeiten, die Überlegungen der Europäer in deren eigenem Interesse zu ändern.

Aber in dem Medienwirbel der sich gut anfühlenden deutsch-israelischen Freundschaft, die Merkels Besuch gekennzeichnet hat, wird diese Woche nichts davon passieren. Und in dem vom Appeasement rasend gemachten politischen Klima, das Israel seit 1993 ergriffen hat, kann man sich kaum vorstellen, dass irgendjemand innehält, um zu erkennen, dass wir die einzigen sind, die den Europäern Glauben schenken.

Hat tip: HEPLEV, Lizas Welt

Dienstag, März 18, 2008

Wer wird hier an Doppelmoral denken?


NGOs und die tibetische Intifada

Jonathan Kay sinniert über die tibetische Intifada:

Ich sehe, dass Tibet in Flammen steht und mindestens 100 Menschen während der Proteste in den Straßen starben.

Der ausführliche Bericht hier ähnelt in schauriger Weise dem über eine andere, etwas weniger verworrene "Konfliktzone": Einheimische Aktivisten erheben sich gegen eine Macht, die sie als brutalen Kolonialbesatzer sehen. Der Besatzer schlägt zurück. Auf den Straßen fließt Blut. Die Tibeter haben noch nicht damit begonnen, sich in Restaurants in die Luft zu sprengen oder chinesische Studenten mit Maschinenpistolen niederzumähen. Wenn sie das tun, so zeigt der Präzedenzfall der Palästinenser, wird die Welt feierlich erklären, dass sie „in einer Gewaltspirale“ gefangen sind.

Wenn Sie der Sache auf den Grund gehen, werden Sie feststellen, dass die Tibeter weit mehr Anspruch auf die Sympathie der Welt erheben können als die Palästinenser. Nach der chinesischen Invasion im Jahr 1950 töteten chinesische Truppen eine Million Tibeter - das sind ungefähr zwei Zehnerpotenzen der Größenordnung aller Palästinenser, die von Israel in den letzten 6 Jahrzehnten getötet wurden. (Was bedeutet, dass, wenn den Behauptungen der Islamisten über einen „Holocaust“ im Gazastreifen und im Westjordanland Glauben geschenkt werden soll, Tibet mindestens 100 Holocausts erlitten hat. Wow - eine Menge Holocausts).

Obendrein gibt es noch den massiven Zustrom chinesischer Zuwanderer, der die Tibeter zu einer Minderheit in ihrem eigenen Land machte (aus unerfindlichen Gründen verweisen die Medien auf diese Leute nie als „Siedler“); ganz zu schweigen von der Zerstörung 6.000 tibetischer Klöster, (eine Zahl, die etwa 6.000 mal so hoch ist wie die der Moscheen, die von Israel zerstört werden). Und so geht es immer weiter - obwohl Sie meistens nichts davon in den Medien mitbekommen.

Aber zweifellos wird die Gewalt während dieses Monats in Tibet den Leuten die Augen öffnen, gelle?

Während ich dabei bin, dies zu schreiben, arbeiten Sid Ryan und seine CUPE (Canadian Union Of Public Employees) vermutlich emsig daran, eine Boykottresolution für sämtliche chinesischen Produkte aufzusetzen.

Studentenaktivisten zertrümmern ihre Leonovo-Laptops. Die Fakultäten für Ingenieurwesen an allen Universitäten Nordamerikas brechen ihre Partnerschaftsprojekte mit Kollegen in China ab. Vermutlich wird es auch hektische Aktivitäten bezüglich antichinesischer Beschlussfassungen geben, die von den Vereinten Nationen und den verschiedenen UN-Gremien vorangetrieben werden - besonders durch den Menschenrechtsrat [Der "hervorragende" Arbeit leistet; d. Übersetzer]. Jimmy Carter, so vermutet man, arbeitet fieberhaft an einer tibetischen Version der Fortsetzung von Peace Not Apartheid.

Was die Olympischen Spiele in Peking betrifft, werden sie auch abgesagt? Wer würde sie jetzt besuchen?

Yup. Dies alles wird geschehen. Sie werden sehen. Alles andere läuft auf eine “Doppelmoral“ hinaus. Und das ist schlicht undenkbar.